Parents of Paris

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Wie bist du nach Frankreich gekommen?                                                                                         Ich habe vorher viele Jahre in Asien gelebt und gearbeitet und nach einem Krankheitsfall in der Familie, hat meine Familie mich gebeten mal in Europa zu bleiben, daher habe ich mir einen alten Kindheitstraum erfüllt und gesagt, ok ich gehe für 1 Jahr Paris, aber dann gehe ich zurück nach Asien. Ich habe dann hier gearbeitet und viel gefeiert. Der Anfang war schon hart hier im Vergleich zu den anderen Ländern, z.B. Bankkontoeröffnung und Job suchen war viel schwieriger, was ich im Rahmen der EU-Freizügigkeit nicht erwartet hätte. Ich bin dann der Liebe wegen hier geblieben. Inzwischen liebe ich Paris aber sehr, es ist Heimat geworden. Ein bisschen Fernweh hab ich immer, das ist bei mir halt so.

Wie habt ihr Euch kennengelernt? 

Wir haben uns beim Tanzen in La Boite à Frissons kennengelernt, ich war mit meinem besten Kumpel aus feiern und mein Mann war neu in der Stadt und wollte nach einer Housewarming Party noch tanzen gehen. Bis zum ersten Date hat es dann noch vier Wochen gedauert, er hat mich aber jede Woche eingeladen zum Essen gehen, auf ein Klarinettenkonzert, zur Jazz Jam Session… Ich hatte aber nie Zeit, nach vier Wochen hat es dann doch geklappt und seitdem sind wir ein Paar. Dann kam der PACS* und dann ein Kind, voila! * PACS – Ziviler Solidaritätspakt


Wie wohnt ihr in Paris? 

Wir haben erst im 11ten gewohnt, das war super, alles was ich an Paris liebe genau vor der Tür! Mein Herz wird immer für das 11te schlagen! Aber mit Kind und Atelier sind 29m2 dann doch etwas knapp, obwohl es ging, die ersten 9 Monate sind wir noch dort geblieben. Jetzt wohnen wir im 12ten und haben luxuriöse 39m2. Das 12te hat mehr Platz und ist weniger hip, aber perfekt für Familien. Viele Spielplätze, der Seepark und der Wald vor der Tür, sowie der Zoo und das Aquarium, also ideal. Für uns war aber auch wichtig, dass sich die Pendelzeit zur Arbeit nicht verlängert, max. 30min von Tür zu Tür- dank der Linie 14 kein Problem.

Hast du die Kinder in Paris bekommen? Hast du Tipps?

Ja, sie ist im Bleuts im 12ten zur Welt gekommen. Ich habe mich dort in guten Händen aufgehoben gefühlt, es ist ein Privatkrankenhaus, (wird aber komplett von der Secu und Mutuelle übernommen) das den Schwerpunkt auf natürliche Geburt und Mutter-Kind-Bindung legt. Kurz und knapp würde ich sagen, lasst euch nicht verrückt machen, macht euch bewusst was ihr für eine Geburt wollt (sucht Euch das passende Krankenhaus dazu) und sucht euch vorher eine begleiteten Hebamme, danach ist es schwer eine für die Rückbildungsgymnastik zu finden. Und es kommt oft anders als man denkt, ich hatte eine Wassergeburt geplant und es wurde eine 46-stündige Geburt mit Einleitung und ohne Betäubung (PTA), aber es war trotzdem toll, auch ohne Wasser! Und mein Mann ist mein Held, er hat alle Wehen von Anfang bis Ende in den drei Tagen mit mir durchgemacht! (Ausführlich siehe Blog https://familieninparis.wordpress.com/2017/01/06/10-tipps-fuer-werdende-mamas-in-paris/

Wie hat sich das Leben verändert als Eltern in Paris zu leben? 

Klar hat sich das Leben verändert, das erste was einem schon in der Schwangerschaft auffällt ist das Paris nicht für Senioren, Schwangere oder Menschen mit Gehbehinderung gemacht ist und auch nicht für Kinderwägen. Die ganzen Treppen und viel zu engen Bürgersteige machen es einem schwer. Also steigt man auf den Bus um, und am besten nutzt man nur das Tragetuch wenn man mit der Metro unterwegs ist. Ungewohnt war auch das wildfremde Menschen einen ungefragt den Bauch anfassen. Kellner einem die Karafewasser verweigern während der Schwangerschaft und sobald das Baby da ist jeder meint einem erzählen zu müssen, was nun zu tun ist. Typische Situation im Bus: „Hat das Kind einen Schnuller?“ „Nein.“ „Gut, das kann ich gar nicht leiden, da werde ich wütend, wenn ich das sehe.“ Das war am Anfang ganz schön anstrengend. Und da jeder das Baby anschauen will muss ich ca 10 min extra für jeden Weg einrechnen. Auf der anderen Seite, muss ich sagen, das die Pariser sehr kinderfreundlich sind. Gerade in den Öffentlichen Verkehrsmitteln hilft einem immer jemand aus, wenn das Kind mal weint und fängt die Hände zu drehen und „Ainsi font, font, font, Les petites marionnettes“ zu singen. Meist reicht diese kleine Ablenkung und alles ist wieder gut. Wir haben das Glück das einige unsere Freunde Musiker sind und wir zu Privatkonzerten eingeladen werden und auch andere Freunde treffen sich gerne zum Mittagessen in der Mittagspause. Also auch wenn Paris nicht auf Kinder ausgelegt ist, sie sind trotzdem willkommen. Wir waren das erste Mal mit 3 Wochen im Restaurant gewesen und seitdem regelmäßig. In dem Sinne hat sich nicht viel verändert, nur eben kein Nachtleben mehr. Wir gehen immer noch auf Kunstausstellungen und ins Restaurant- nur eben mit Kind. Das ist einer der größten Vorteile am Elternsein in Frankreich, man hat Teil am Kulturangebot! Kulinarisch war der letzte Hit für sie das tibetanische Restaurant Bar à Momo (Metro Faidberge-Chalingy) und das nordchinesische Lychee (Metro Michel Bizot), sowie das singhalesische Waly-Fay (Metro Faidberge-Chalingy). Beim Tibeter habe ich kaum was abbekommen, Linsensuppe und Momos gingen zu schnell in dem kleinen Mund weg. Und im Lychee bestellen wir immer eine große, gemischte Portion hausgemachter Gyoza, zehn gehen davon mindestens an die kleine Zuckerschnecke.

Wie sieht ein typischer Tag in eurem Leben? 

Für mich war immer klar, dass mir 10 Wochen mit meinem Kind nicht ausreichen und das ich mindestens 12 Monate Elternzeit nehmen würde. Ich hatte dann das große Glück, dass die Firma in der ich gearbeitet habe Bankrott ging während ich im Mutterschutz war und wir also keinen Zeitdruck haben. Wir haben uns zusammen dafür entschieden, dass sie erst mit der Ecole Maternelle (ab 3) oder evt. Halte-Garderie (sowas wie Kita) anfangen soll.* Ich bin sehr dankbar für diese wundervolle Zeit mit ihr, die ich nicht missen möchte. Klar ist das finanziell knapp bei uns, aber wir sind total glücklich mit unserer Entscheidung, es ist wundervoll und ein grosses Geschenk. Unser Tag sieht so aus, das wir zusammen frühstücken, allerdings meist ohne Papa, der ist schon Weg auf dem Weg zur Arbeit. Dann auf den Wochenmarkt und zur Kaffeerösterei gehen oder den Haushalt zusammen machen, derzeit hilft sie am liebsten beim Waschmaschine ausräumen und Sachen aufsammeln. Oder wir treffen uns mit Freunden auf dem Spielplatz. Nach dem Mittagessen legen wir uns zum Mittagsschlaf hin, und ich schleiche mich raus sobald sie schläft und nutze die Zeit um zum Schreiben,Recherchieren, Putzen etc. Nachmittags gehen wir meist auf den Spielplatz, Mittwochs zur Zwergenmucke und Samstag morgens zur Eveil Musical. Oder wir machen es uns zu Hause gemütlich und machen Lesestunde und Malen. Ich versuche hier und da mit ihr was cooles zu unternehmen, also in die Bibliothek gehen oder ins Aquarium oder Kastanien sammeln im Wald… Als sie noch kleiner war waren wir oft im Kunstmuseum. Abends kommt dann Papa gegen 20-21h nach Hause, die beiden lesen oder toben und ich koche und wir essen gemeinsam. Dann wird mit Papa gebadet, ich räume in der Zeit auf und gegen 22h geht es ins Bett. Dann wird noch einmal das aktuelle Lieblingsbuch (zur Zeit „The koala who could“) gelesen, einmal auf Deutsch, einmal auf Französisch und dann gehen die Lichter aus.

* Kleiner Nachtrag: Also wir haben jetzt uns für die Halte-Garderie für 3 halbe Tage pro Woche entschieden. Warum? Weil ziemlich viele Freunde weggezogen sind und ich das Gefühl habe, es schwerer ist in dem Alter neue Kinder auf den Spielplätzen zu treffen. Ich habe mich lange mit vielen anderen Mamas unterhalten, über all mögliche Einrichtungen und Konzepte, plus 2 x 1,5h mit der Direktorin und befunden, das Konzept Halte-Garderie passt zu uns: es ist flexibel und hat kleine Gruppen, von 8 bis max. 12 Kindern und sie dürfen frei spielen. Natürlich hatte ich Bammel vor der Eingewöhnung, zu meiner Erleichterung war es gar nicht so schlimm, wie ich befürchtet hatte. Am ersten Tag, waren wir zusammen da, am zweiten bin ich für 30 min raus gegangen… und dann jeden Tag mehr Trennungszeit. Ja, beim Abschied flossen große Krokodilstränen, aber sie hat sich beruhigt und wenn ich wieder kam, war sie vertieft beim Lesen, Malen oder Gemüse schneiden. Bereits am vierten Tag, als ich nach zwei Stunden wieder kam, hat sie sich zwar gefreut, dass ich wieder da bin, nach ein paar Minuten Umarmung hat sie aber weitergespielt während ich mich mit der Erzieherin unterhielt- das ist doch ein gutes Zeichen. Und schliesslich beim Anziehen: “ Mama, Kindergarten gar nicht schlimm!“ Inzwischen sagt sie sogar es macht Spaß und Tränen gibt es auch keine mehr beim Abschied. Mir fällt ein Stein von Herzen.  

 

Erzieht ihr euer Kinder bilingual? Klappt das? 

Ja, das klappt super. Am Anfang hatte ich Schwierigkeiten wirklich Deutsch mit ihr zu sprechen und konsequent zu sein. Mein Mann und ich  sprechen miteinander Englisch, ich mit ihr Deutsch und er mit ihr Französisch. Gerade wenn ich müde bin ist es manchmal anstrengend auf drei Sprache hin und her zu jonglieren. Aber inzwischen habe ich mich daran gewöhnt wirklich Deutsch mit ihr zu sprechen. Sie hat direkt nach der Geburt und mit 6 Monaten an Forschungen zu deutsch-französischen Kindern und deren Sprachentwicklung an der Universität von Paris teilgenommen und schon mit sechs Wochen war klar, sie kennt den Unterschied. Mit 21 Monaten konnte sie dann umschwenken von einer auf die andere Sprache, je nach dem wen sie von uns beiden anspricht. Mit 24 Monaten hat sie dann für ihren Papa angefangen zu übersetzten, was unheimlich süß ist, vor allem wenn sie es pantomimisch unterstreicht. Jetzt mit 29 Monaten kann sie beide Sprachen sprechen und weiß auch im Alltag mit wem sie welche Sprache sprechen muß, ob mit Oma auf Deutsch oder der Verkäuferin auf Französisch… Die Sätze auf Deutsch sind ein wenig ausgefeilter, aber sie beginnt jetzt mit Kindergarten, da wird Französisch schnell die Sprache Nummer 1 werden. Ich sorge mich eher, wie wir dann das Deutsch beibehalten… weiter viel Lesen, Singen und hoffen das es klappt.
Falls du stillst oder gestillt hast, wie sind deine Erfahrungen in Frankreich damit?
Da kann ich nur positives berichten, ich habe nie schiefe Blicke bekommen oder Kommentare, ganz im Gegenteil! Oft sind Leute auf mich zu gekommen und haben gesagt:  „Ach wie schön, dass das noch jemand macht.“ Oder: „Madame, sie sehen so schön zusammen aus beim Stillen.“ Also eine durchweg positive Erfahrung. Egal ob im Restaurant, im Bus oder auf dem Spielplatz. Insbesondere auf Flügen haben sich auch Stewardessen und Sitznachbarn positiv geäussert und sogar bedankt, da sie natürlich bei Start und Landung dank Stillen nicht schreit. Als sie 17 Monate alt war, hat ihre Urgrossoma einmal verwundert beim Picknick festgestellt, dass ich ja noch immer stille, aber der Bruder meines Mannes, der Arzt ist, ist sofort herbei gesprungen und hat gesagt: „Also als Arzt kann ich ja nur sagen das mindestens 2 Jahre ideal sind für die Entwicklung.“ Damit war das Thema erledigt. Und mir ist klar, dass gerade ihre Generation bzw der französische Feminismus sich vor allem durch die Befreiung der Frau vom Kind definiert. Feministin sein, heisst hier arbeiten gehen und dazu muss das Kind schnellstmöglich fremdbetreut werden. Das hat Jahrhunderte Tradition in Frankreich, auch ohne den Feminismus der 60-ziger Jahre. Also habe ich das auch nicht persönlich genommen, jede Generation und Kultur hat ihren eigenen Blickwinkel. Ich hatte mir immer vorgenommen 12+ Monate zu stillen, das ich solange stillen würde, wie ich es nun tue, sie ist jetzt 29 Monate, war nicht geplant, aber es fühlt sich richtig an. Wir folgen unserem Instinkt und wie gesagt, ich habe nur positive Erfahrungen gemacht.
Getrennt oder zusammen schlafen ? 
Am Anfang hatte sie ihr eigenes Bettchen und ich habe das versucht, mit allen Tricks von mein T-Shirt mit reinlegen bis mit Seidenschal in Plazentafarben ein Himmelbett bauen etc. Aber es hat einfach für uns nicht funktioniert, nach 8 Wochen war ich vollkommen k.o. von dem ganzen Aufstehen zum Stillen, danach versuchen abzulegen, klappt nicht, in den Schlaf wiegen, wieder ablegen und dann die Rückenschmerzen vom Bücken und Heben…. Dann habe ich sie zu uns geholt habe. Seitdem schlafen wir alle drei endlich wieder genug dank dem Familienbett. Yipee! Und ganz ehrlich, wir lieben unsere Kuschelzeit alle drei.
Was gefällt dir gut für die Kinder am Leben hier?
Das die Franzosen grundsätzlich kinderfreundlich sind, man überall mit Kind willkommen ist und ein verständnisvolles Lächeln bekommt, wenn sie mal weinen. Auch, das Fremde einfach mal schnell ein Liedchen anstimmen um das weinende Kind kurz abzulenken, finde ich super.
Das im Restaurant zur Not die Eistruhe zum Wickeltisch wird, diese Flexibilität und Offenheit schätze ich sehr. Sogar auf dem Ämtern ist mit Kind auftauchen kein Problem, ein junger Herr hat mich mal begrüßt mit : „Keine Sorge, Madame, ich habe Nichten, geben Sie sie her. Dann können sie sich den Mantel ausziehen und die Tasche ablegen.“ (Über die Behörden in Frankreich kann ich eh nur Gutes berichten!)
Ab einem Alter von 3 Jahren gibt es auch ein unendliches Angebot was man mit Kindern in Paris unternehmen kann, davor ist es leider etwas mau. Gott sei Dank, kann man sie einfach zum normalen Kulturangebot mitnehmen, die ersten Monate waren wir viel im Museum unterwegs. Und oft in angesagten Restaurants zum Mittagstisch um mit Freunden in Kontakt zu bleiben. Paris bietet ein unendliches, leicht zugängliches (viel günstiger, oft kostenloses) Kulturangebot an. Das ist schon toll! Ab drei und älter gibt es sogar Architekturkurse für die Kleinen, Kunstführungen, Pyjamaparties und Lesungen in der Öffentlichen Bibliothek etc.
Ausserdem gefällt mir das Mulitikultileben hier, dass bereichert die Kleinen unheimlich.  Bonjour, Hallo, Ciao, Sawadeeka, Hello kann sie schon, so süß! Und sie isst sich auch durch alle Kulturen! Das ist einfach toll diese Vielfalt.
Ausserdem noch, das Paris am Ende doch ein Dorf ist! In unserem Viertel grüßen sich nicht nur die Nachbarn, sondern auch die Händler und Verkäufer kennen einen. Ob beim Bäcker, im Supermarkt, beim Schneider oder Frisör, man kennt sich, man fragt einander wie es einem geht. Man tauscht sich über das Leben aus. Jeder kennt unsere Tochter, die wird überall begrüßt. Wenn wir abends beim Beauty Salon vorbei kommen bringen die Mädels uns Früchte vom Gabentempel und küssen ihre Füße. Und auch der Frisör winkt über die Strasse, der Sicherheitsdienst im Supermarkt holt sich sein High Five ab… Von Anonymität der Grossstadt kann keine Rede sein. Ich kenne die Lebensgeschichten der 93-jährigen Madame C, sowie alle Scheidungsdetails unseres Schlachters.
Ansonsten mag ich auch, dass man einander auch mal ein Kompliment macht. Nachdem einem Langstreckenflug kamen unabhängig voneinander mehrere Menschen noch im Flugzeug und sogar noch in der Passkontrolle auf mich zu, was für ein liebes Kind sie sei und wie toll sie den Flug mitgemacht hat. Oder die Ärztin, die einfach mal sagt, die versteht ja so viel, das ist ja toll- sie lesen bestimmt viel mit ihr. Sowie die Nachbarin: „Man merkt, das sie ein glückliches, ausgeglichenes Kind ist.“ Die Komplimente zum Stillen nicht zu vergessen! Ist doch toll, dass man Eltern auch mal was Nettes sagt!

Was nicht so? 
Herrje, wie soll ich es sagen, die Erziehung! Alle sind immer gestresst, und die Kinder müssen dann in dem Tempo gefälligst mithalten, und wenn ihre kleinen Beinchen das nicht schaffen, dann wird gleich geschrien. Die Kinder müssen immer mitlaufen und funktionieren, genau so sieht man halt die Eltern mit Säugling am Rauchen, wieso sollte man sich auch ändern wegen einem Kind?! Und diese Art ständig mit Verboten und Drohungen den Kindern zu begegnen, mach dies nicht, mach das nicht, wenn du nicht sofort das macht , fass das nicht an, dafür bist du zu klein, das schaffst du nicht, sei vorsichtig, …. Also mit Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen aufbauen wird es da schwierig. Typische Situation auf dem Spielplatz (keine Extremsituation, sondern was alltägliches) Mutter sitzt am Rand und ruft dem Kind über den Spielplatz Anweisungen zu: „Auf die Rutsche darfst du nicht. Dafür bist du zu klein.“ Kind geht also zum Sandkasten. „Nein, nicht in den Sand, da wirst du schmutzig.“ Kind will zur Wippe laufen, fällt dabei hin. Mutter schreit los: „Na toll, jetzt bist schmutzig, ich habt dir doch gesagt du sollst vorsichtig sein. Jetzt reicht es mir!“ Und zieht das weinende Kind an einem Arm hoch. „Jetzt kommst du in den Kinderwagen, es reicht!“ Kind weint wird angeschnallt, die Mutter setzt sich wieder hin und schaut ins Handy. Da muss ich tief durchatmen, man hätte doch wenigsten das Kind das sich beim Hinfallen weh getan hat erstmal trösten können! 
Eine andere Sache ist, sind die ständigen Sprüche, gerade am Anfang, wenn das Baby noch klein ist wie zB „Hast du dich schon wieder gefunden?- Ganz wichtig, das du Zeit für dich alleine verbringst und auch das du dich hübsch machst“ (Ich habe ein Baby bekommen, nicht mich verloren!) oder „Lassen Sie es doch schreien, irgendwann hört es halt wieder auf!“ „Wie sie ist noch nicht in der Krippe, dann wird sie ja unsozial“ und der absolute Klassiker: „Schläft Sie schon durch? Nein? Einfach ins andere Zimmer legen, Tür zu, schreien lassen, nach spätestens drei Nächten ist gut. Ist auch ganz wichtig für die Paarbeziehung!“ (Die Paarbeziehung wird von jedem ob Arzt oder Kassiererin am Anfang kommentiert, was man als Frau und Baby nicht also so zu tun hat.) Bei Fremden lächle ich dann nur und gehe weiter. Bei Freunden sage ich dann: „Nee danke, wir haben uns entschieden das anders zu machen. Wenn sie schreit oder weint nehmen wir sie auf den Arm oder wechseln die Windel oder stillen, je nach dem was ihr Bedürfnis ist.“ Daher muss ich mir manchmal den Hippie Stempel gefallen lassen, aber gut, dann ist das halt so. Hauptsache meine kleine Familie ist glücklich. Wir versuchen uns beide zu reflektieren: Woher kommen unsere Ideen zu Erziehung, ist das jetzt unsere deutsche oder französische kulturelle Prägung oder vielleicht unser Elternhaus oder oder oder… und sind wir damit wirklich einverstanden oder übernehmen wir da einfach was. Würden wir uns als Kind gut damit fühlen? Was fühlt sich für uns als Eltern richtig an? Oder geht das gegen unser Herz? Uns das funktioniert für uns ganz gut. 
Und in Deutschland ist die Angst, das Kind könnte verhätschelt werden ja genauso verbreitet, auch da hört man Sprüche wie “ Ein Kind muss Gehorsam leisten“ und “ Es muss Grenzen lernen, sonst wird es zu verwöhnt und fügt sich später nicht in die Gesellschaft ein!“ Nur das Schreien lassen ist vielleicht weniger verbreitet, vielleicht aber auch nur, weil immer alles leise sein muss in Deutschland. Wenn Eltern das Kind nicht sofort ruhig bekommen kommen, erhält man ja schnell fiese Blicke und die Nachbarn beschweren sich schnell über den Lärm…. schliesslich ist ja von 13-15h Mittagsruhe in Deutschland. Und die Mittagsruhe, und den Anspruch auf Ruhe gibt es in Frankreich nicht. Wie auch immer, das sind so Dinge, die wir versuchen aus beiden Kulturen zu vermeiden. Und inzwischen haben Freunde und Familie es akzeptiert, dass sie Holzspielzeug hat, keine Cola etc bekommt und nicht schreien muss- es wird also einfacher mit der Zeit! 😉 
Und gegen den Stress, hab ich von Gesine einen total tollen Tipp bekommen, der mir absolut hilft, falls ich merke, ich komme auch in den Stress, weil wir unbedingt losmüssen und die Nacht vielleicht mies war und die Nerven blank liegen etc. sage ich mir laut: „Ich habe Zeit!“ Das wirkt Wunder, zusammen mit einmal tief durchatmen holt mich das sofort runter. Danke nochmal Gesine! Ok, und ich plane für jeden Weg immer mindestens 15 min Extrazeit ein, damit wir nie in den Stress kommen.

Was ist dein Lieblingsort mit den Kindern? Oder Lieblingsunternehmung? 
Der Seepark von Daumesnil, ich gehe gerne mit ihr auf Insel von Bercy spazieren. Es ist einfach herrlich Bäume und Wasser um sich zu haben, diese Weite und  den Pfauen beim Spazieren gehen zu zuschauen. Es gibt auch einen tollen Spielplatz, mein Lieblingsspielplatz. Mit riesigem Sandkasten, Seilbahn und Schaukeln und Bäume drum herum, vor allem aber keine Autos! 
 
Lieblingsunternehmung: die Zwergenmucke in der deutschen evangelischen Kirche. Sie hat soviel Spaß daran und die beiden, Julia und Elhad, animieren das ganze wirklich toll und liebevoll. Jedem mit Baby und Kleinkind kann ich die Zwergenmucke, sowie die Krabbelgruppe nur wärmstens empfehlen!

 

Was hättest du gerne vorher gewusst oder was würdest du anderen Erstlingseltern gerne mit auf den Weg geben? 

Das Ärzte nun mal trainiert sind medizinische Probleme zu diagnostizieren, nicht aber eine Schwangerschaft zu begleiten. Da hatte ich falsche Vorstellungen und das man ein dickes Fell in der Schwangerschaft braucht, um nicht ständig gestresst und verängstigt zu sein. Geniesst Eure Schwangerschaft! Auch eine Hebamme sollte man sich frühzeitig suchen, nicht nur das Krankenhaus.

Mach dich frei von allen „Das macht MAN halt so“ und „das MUSST du so machen“ sowie „In Frankreich macht MAN das aber so“ Kommentaren und Dogmen was dein Baby oder euch als Eltern betrifft. Ihr findet für Euch raus, was gut ist, keine Sorge! Geh NICHT GEGEN dein Herz! Folge deinem Herzen! Die ersten 8 Wochen ist alles neu und vielleicht anstrengend oder auch weniger, aber dann pendelt sich alles immer besser ein, und ihr als Eltern wisst am Besten, was eurem Baby gut tut. Zumindest für uns klappt das gut, auch ganz ohne irgendwelche Ratgeberbücher!

Ich bin dankbar, dass mein Mann sich 4 Wochen Urlaub zur Geburt genommen hat. Das war für uns beide so eine wertvolle Zeit und Erfahrung. Und ganz ehrlich, wenn man ohne Familie im Ausland lebt, dann braucht man den Partner einfach mehr. Ich hab halt keine Mutter oder Oma die mal rumkommen kann und die ersten 10 Tage ohne ihn kann ich mir nicht vorstellen, wie ich das hätte packen sollen. Ich war so ausgelaugt von der langen Geburt und konnte ja kaum Stehen oder Gehen die ersten Tage. Wir haben die vier Wochen gesplittet, zwei zur Geburt, dann hat er wieder 2 Wochen gearbeitet und dann nochmal 2 Wochen Urlaub. Wir haben es gesplittet als Kompromiss mit der Firma.

Und habt Mut rauszugehen! Die ersten anderen Mamas habt ich auf dem Wochenmarkt und im Supermarkt getroffen! Ich kenne Mamas, die sich nicht mit Baby in die Metro trauen und dann ziemlich einsam werden… Und ladet Freundinnen auf einen Kaffee zu Hause ein, auch wenn die Wohnung nicht aufgeräumt ist! Who cares!?! Du hast gerade ein Kind zur Welt gebracht! So bleibt ihr mit guten Freunden im Kontakt. Unser Terminkalender ist ehrlich gesagt so voll, mit Freunden, anderen Kindern und Familientreffen, das ich eher mal absagen muss. Ich muss eher lernen mal Pausen einzulegen. Von der anfänglichen Isolation ist also nichts mehr zu spüren! 😉
Und traut euch auch zu reisen! Ich hab mich erst als sie 18 Monate war auf einen Langstreckenflug getraut, dabei war es überhaupt kein Problem: 2 Lieblingsbücher, Knete und Apfelmus dabei und das Liederbuch hoch und runter gesungen. Für Start und Landung ist Stillen einfach praktisch und es gab nicht einmal Tränen auf dem Flug. Es war wirklich entspannt. Hätte ich mich mal vorher getraut! Vorher haben wir uns nur maximal an 3-stündige Europaflüge herangetraut oder bis zu 6-stündige Zugreisen (Auto geht gar nicht, einmal und nie wieder- der Stress pur). Mit jeder Reise macht sie so einen Entwicklungsschub, es ist Wahnsinn das zu beobachten und miterleben zu dürfen! Und uns tut es auch gut mal raus zukommen! Das ist das einzige was ich bereue, nicht mehr in die Ferne gereist zu sein, bevor die den Erwachsenenpreis nun zahlen muss.
Ganz viele Sachen, die einem so als Eltern angepriesen werden, braucht man überhaupt nicht. Und dann sind sie auch nicht auf Pariser Wohnungen ausgelegt, sondern auf Menschen mit Häusern und großen Wohnungen mit Garage. Also überlegt euch zweimal, ob ihr das alles braucht, oder das nur im Weg rumsteht. Gerade Spielzeug braucht kein Baby die ersten 6 Monate. Auch einen super teuren Windelmülleimer braucht man nicht, da reicht auch ein normaler Badezimmereimer. Ein Babybouncer oder Federwiege auch nicht, genauso wenig haben sich die Still-BH´s gelohnt oder der Kinderwagen… Diese Liste lässt sich ewig fortführen. Feuchttücher übrigens auch nicht, in Frankreich nimmt man Wasser und extra grosse Wattepads. Da braucht man sich auch keine Sorgen um hormonstörende Chemikalien zu machen, und Öko-Windeln gibt es inzwischen selbst bei Monoprix oder Carrefour. Es gibt auch Dinge, die sich gelohnt haben, die ich nicht missen möchte und gerne weiterempfehle: Weleda Wickelcreme, Pucksäckchen, Disana Tragetuch, Ergo-Baby, leichter Rucksack (der von Marina Duck aus recyceltem Material hat sich als der Praktischste erwiesen), Wickelunterlage für Unterwegs, Stillnachthemd von Boobs (ideal im Krankenhaus nach der Geburt), Spelty (sowas wie Vitamals hilft bei der Milchproduktion und ist eine Abwechslung zu den Stilltees), Engelwurzbalsam und Nasenpumpe (von DM) bei Schnupfen, Hightech-Fiebertermometer und später Regenhosen und der Globber 5 in 1 Roller, sowie der Yepp Mini Fahrradsitz. So, das reicht dann wohl mit Tipps. 😉
Alles Liebe, geniesst eure Schwangerschaft und das wunderbare Abenteuer Elternsein!

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